Sie war der erste tatsächliche weibliche Weltstar, kosmopolitisch, selbstbewusst, selbst-  und dennoch auch fremdbestimmt und wirkte mit ihren Ansichten und daraus resultierenden Handlungen wie aus der Zeit ihres Wirkens gefallen – die deutsch-amerikanische Schauspielerin und Sängerin Marlene Dietrich.

In den fünf Jahrzehnten ihrer einmaligen Schauspiel- und Gesangskarriere begleitete sie eine Welt die differenzierter, sich ständig verändernd und widersprüchlicher nicht sein hätte können. Ebenso gestaltete sich ihr Leben. Als Maria Magdalena von Losch 1901 in Berlin zur Welt gekommen, ließ sie sich bereits in jungen Jahren entgegen dem Willen ihrer Mutter bei Max Reinhardt zur Schauspielerin ausbilden. Sie wechselte alsbald ihren Namen auf Marlene Dietrich, eine Entscheidung, die Ihr dabei helfen sollte, Tor und Tür in dem von ihr so geliebten Genre zu öffnen.

Mit „Blauer Engel“ Start in die Erfolgsspur

Erste Stationen ihres Schauspielerlebens führten sie unter anderen auch nach Wien. 1930 wurde sie mit dem Film „Der blaue Engel“ weltberühmt. Bald darauf rief die Filmmetropole Hollywood, wo sie in rund 30 Filmen meistens in laszive, also frivole Rollen schlüpfte. Als femme fatale, als Vamp eroberte sie vor allem die Herzen der Männer. Sie widerstand den Lockrufen der nationalsozialistischen Filmindustrie, blieb in den USA, nahm deren Staatsbürgerschaft an und avancierte zur vehementen Gegnerin aller Spielarten des Faschismus. Sie engagierte sich in der Truppenbetreuung der US-Soldaten, wodurch bereits ihr damals bestehender Kultstatus in den USA noch verstärkt wurde.

Von Ewiggestrigen als „Verräterin“ gebrandmarkt

Nach dem Krieg kehrte Marlene Dietrich für Shows nach Deutschland zurück, wo sie noch in den sechziger Jahren mit heftigen Anfeindungen Ewiggestriger als „Verräterin“  konfrontiert wurde.  Ihren Lebensabend verbrachte sie in Paris, wo sie 1992 verstarb. Ihr Leichnam wurde dorthin überführt, wo sie geboren wurde und ihre ersten Schritte als Actress beziehungsweise Revuegirl gesetzt hatte – in ihre Heimatstadt Berlin. Und so mutet es geradezu als Treppenwitz der Geschichte an, dass die von den Nazis aber auch noch nach dem Zweiten Weltkrieg von vielen verfemte Diseuse, die Deutschland nicht zuletzt wegen des menschenverachtenden NS-Regimes verließ, die so hingebungsvoll Chansons und Lieder in unterschiedlichen Sprachen präsentieren konnte, ihre letzte Ruhe in ihrer Geburtsstadt, der sie durch so viele Jahre den Rücken gekehrt hatte, fand.

Auf den Spuren des „Engels der Dämmerung“  

Das schillernde Leben Marlene Dietrichs inspirierte die beiden Autoren Torsten Fischer (zeichnet auch für die Regie verantwortlich) und Herbert Schäfer (Bühnenbild und Kostüme) zu einer Hommage an die große Künstlerin – „Engel der Dämmerung. Marlene Dietrich“. Die Uraufführung in den Wiener Kammerspielen am 6. Februar geriet zum Triumph nicht nur für die beiden Autoren, sondern auch und vor allem für die beiden SchauspielerInnen, die die Theater-Collage , die sich aus szenischen, poetischen und literarischen Elementen zusammensetzt und den Lebensweg der Künstlerin nachzeichnet, mit Leben erfüllen: Sona MacDonald als Marlene Dietrich und Martin Niedermair, von den Autoren einfach als „Mann“ bezeichnet.

Schauspielerische und gesangliche Höchstleistung von Sona MacDonald

Die in Wien geborene Schauspielerin, Tänzerin und Sängerin Sona MacDonald verleiht durch ihre schauspielerische große Intensität mit der sie die auf einer fiktiven Autobiographie der Dietrich aus dem Jenseits beruhende Rolle interpretiert, ein hohes Maß an Überzeugungskraft und damit Glaubwürdigkeit.

Nicht nur die auf der Bühne optische Ähnlichkeit, sondern auch die Stimmlage, das Timbre, wecken in der Tat Erinnerungen an die Dietrich. Überzeugend überspringen auch die unbändigen Lebenslustgefühle, die Freude über Erfolg, aber auch die psychischen und physischen Unpässlichkeiten, die Seelennöte, die quälende Einsamkeit, die in so manchen Szenen nahezu philosophisch anmutenden Exkurse der einst großen Diva den Bühnenrand; der Mensch als ein aus unzähligen Puzzles zusammengesetztes Werk der Schöpfung in all seiner unergründlichen Vielschichtigkeit, all seinen Stärken, all seinen Schwächen, seinen Irrungen und Verwirrungen, seiner Einsicht wie ebenso Uneinsichtigkeit. Auch oder gerade Weltstars, denen viele Menschen im wahrsten Sinn des Wortes zu Füße liegen, sind davon nicht ausgenommen. Und wenn Sona MacDonald schlussendlich gefühlvoll den Song „Sag mir, wo die Blumen sind“, intoniert, dann bekommt nicht nur das Nostalgiegefühl einen weiteren Schub, sondern es macht sich so etwas Ähnliches wie Gänsehaut ob der totalen Irrationalität des Krieges breit. Mahnung wie ebenso Auftrag unermüdlich den Anfängen zu wehren.

Auch „Alter Ego“ Martin Niedermair überzeugend

Kongenial zur schauspielerischen und gesanglichen exquisiten Leistung Sona MacDonalds auch der die Biographie von Marlene Dietrich begleitende „Mann“ in der Person von Martin Niedermair. Der Schauspieler fungiert gewissermaßen als Pedant in der breitgestreuten Männerwelt, wenn man so will, als Alter Ego, der Dietrich. Gesanglich voll auf der Höhe der interpretierten Lieder und auch im schauspielerischen Metier sattelfest, spielt auch er sich in die Herzen des Publikums.

Wie ebenso das in jeder musikalischen Sequenz genau den richtigen Ton treffende Musik-Quartett, ohne deren ausgezeichnet fundierte, schwungvolle Begleitung der Abend ein Torso geworden wäre. Summa summarum – ein kurzweiliger, in keiner Phase auch nur einen Hauch Langweile verbreitender Abend in den Wiener Kammerspielen. Zu Recht minutenlanger Applaus, Standing Ovations und einmal mehr die Bestätigung, dass alles im Leben unaufhaltbar fließt.   

Engel der Dämmerung. Marlene Dietrich
Termine:
12., 15., 16., 20., 29. Februar,
1., 4., 6., 14., 15., 17., 18., 20., 23. März
11. bis 13., 25., und 26. April
4., 5., 14. 18., 19., 21., 27., 28., 30. Mai
3., bis 7. und 15., 21., 25., 27. und 28. Juni 2020

Kammerspiele der Josefstadt
Rotenturmstraße 20
1010 Wien
www.josefstadt.org

Titelbild: Sona MacDonald © Moritz Schell

Geschrieben von Stefan Weinbeisser